Kollegiatin im Forschungskolleg Gesellschaft und Kontingenz, Berlin
Seit 2009
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Exzellenzcluster Religion und
Politik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Seit 2009
Associate der Stiftung neue Verantwortung im Projekt Parteien
mit Zukunft
Seit 2007
Dissertation bei Prof. Dr. Norbert Bolz Politische Hermeneutik
2006
Mitarbeiterin am Institut Dastechnische Bild,
Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik
2003-2007
Studium Medienberatung, Technische Universität Berlin
2000-2004
Studium Chemie, Freie Universität und Humboldt Universität Berlin
Forschungsvorhaben
„Alles wird anders, wenn es durch Schrift vermittelt wird.“1
Um 800 v. Chr. führt die Erfindung des phonetischen, griechischen Alphabets einen
folgenreichen Wandel der Kommunikationsstrukturen herbei. Die Durchsetzung des Mediums
Schrift löst die Wissensvermittlung von der Ort- und Zeitgebundenheit einer vornehmlich
mündlich konzipierten, dialogisch und psychagogisch wirkenden Übermittlung von
Wissensinhalten. Die daraus resultierenden Probleme hat bereits der der „erste
Medienphilosoph“ Platon im Phaidros und im Siebenten Brief geäußert. Vor allem kritisierte
er die Loslösung des Autors vom Text, da das Geschriebene „fest steht“ und „sich nicht
verteidigen kann“. Der Autor verzichtet durch die Verschriftlichung seiner Gedanken auf die
Möglichkeit, situations- und adressatengerecht zu sprechen und seine Ideen dem
Rezipientenkreis entsprechend zu vermitteln. Das Schriftstück als solches kann sich den
Leser nicht aussuchen. Für philosophische Autoren stellt sich dadurch zugleich das Problem,
dass ihre Texte in die Hände von Menschen geraten, die mit ihren politischen oder religiösen
Implikationen nicht einverstanden sind. Schriftliche Kommunikation hat ein Problem der
Adressierung. Verschärft wird die Problematik durch elektronische
Kommunikationstechnologien, die nicht nur die räumliche und zeitliche Dimension erweitern,
sondern Kommunikation an sich beschleunigen. Die neuen Medien unterwandern somit den
Buchkultur-Kanon der „great books“ und produzieren einen unerschöpflichen Reichtum an Sinn
durch kombinierbare Symbole: Bilder, Töne und Texte stehen Hierarchie befreit neben- und
aneinander und entziehen sich einer traditionellen Texthermeneutik.
Es entsteht einerseits ein information overload an zum Teil anonymisierten Informationen, die
um die knappe Ressource Aufmerksamkeit kämpfen. Andererseits scheinen Medien die doppelte
Kontingenz von Kommunikation überwinden zu können. Vor diesem Hintergrund möchte ich
Luhmanns Systemtheorie mit dem Fokus auf Kommunikation und seinem Verständnis von Medien als
notwendige Bedingung zu erfolgreicher, anschlussfähiger Kommunikation reflektieren. Die
Fragen, die ich in dem Forschungskolloquium erarbeiten möchte, sind hermeneutischer Art. Vor
allem begegne ich der Widersprüchlichkeit zur Platonischen Auffassung, dass gemäß Luhmanns
Medientheorie Schrift besonders kommunikativ sei. Zu untersuchen ist demnach, wie Verstehen
mittels Verbreitungsmedien überhaupt möglich sein kann. Kann vom Autor intendierte
Kommunikation überhaupt Adressaten erreichen? Welche Gefahren bieten sich für philosophische
Texte? Inwiefern lässt sich die Rezeptionswahrnehmung des Adressaten, gerade bei
ungerichteter Kommunikation durch Massenmedien und Computer, mit vorherbestimmen? Ist das
Kommunikationsverhalten durch die neuen Medien grundlegend anders? Fällt die Unterscheidung
zwischen Bedeutungsvollem und Belanglosem in der Internetkultur einzig dem User der neuen
Medien zu? Und wenn ja, wie kann er sich hermeneutische Kompetenz aneignen?
Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M.,
1997, S.283. ↩
Ulrike Weichert
Wissenschaftlicher Lebenslauf
Politische Hermeneutik
Forschungsvorhaben
„Alles wird anders, wenn es durch Schrift vermittelt wird.“1
Um 800 v. Chr. führt die Erfindung des phonetischen, griechischen Alphabets einen folgenreichen Wandel der Kommunikationsstrukturen herbei. Die Durchsetzung des Mediums Schrift löst die Wissensvermittlung von der Ort- und Zeitgebundenheit einer vornehmlich mündlich konzipierten, dialogisch und psychagogisch wirkenden Übermittlung von Wissensinhalten. Die daraus resultierenden Probleme hat bereits der der „erste Medienphilosoph“ Platon im Phaidros und im Siebenten Brief geäußert. Vor allem kritisierte er die Loslösung des Autors vom Text, da das Geschriebene „fest steht“ und „sich nicht verteidigen kann“. Der Autor verzichtet durch die Verschriftlichung seiner Gedanken auf die Möglichkeit, situations- und adressatengerecht zu sprechen und seine Ideen dem Rezipientenkreis entsprechend zu vermitteln. Das Schriftstück als solches kann sich den Leser nicht aussuchen. Für philosophische Autoren stellt sich dadurch zugleich das Problem, dass ihre Texte in die Hände von Menschen geraten, die mit ihren politischen oder religiösen Implikationen nicht einverstanden sind. Schriftliche Kommunikation hat ein Problem der Adressierung. Verschärft wird die Problematik durch elektronische Kommunikationstechnologien, die nicht nur die räumliche und zeitliche Dimension erweitern, sondern Kommunikation an sich beschleunigen. Die neuen Medien unterwandern somit den Buchkultur-Kanon der „great books“ und produzieren einen unerschöpflichen Reichtum an Sinn durch kombinierbare Symbole: Bilder, Töne und Texte stehen Hierarchie befreit neben- und aneinander und entziehen sich einer traditionellen Texthermeneutik.
Es entsteht einerseits ein information overload an zum Teil anonymisierten Informationen, die um die knappe Ressource Aufmerksamkeit kämpfen. Andererseits scheinen Medien die doppelte Kontingenz von Kommunikation überwinden zu können. Vor diesem Hintergrund möchte ich Luhmanns Systemtheorie mit dem Fokus auf Kommunikation und seinem Verständnis von Medien als notwendige Bedingung zu erfolgreicher, anschlussfähiger Kommunikation reflektieren. Die Fragen, die ich in dem Forschungskolloquium erarbeiten möchte, sind hermeneutischer Art. Vor allem begegne ich der Widersprüchlichkeit zur Platonischen Auffassung, dass gemäß Luhmanns Medientheorie Schrift besonders kommunikativ sei. Zu untersuchen ist demnach, wie Verstehen mittels Verbreitungsmedien überhaupt möglich sein kann. Kann vom Autor intendierte Kommunikation überhaupt Adressaten erreichen? Welche Gefahren bieten sich für philosophische Texte? Inwiefern lässt sich die Rezeptionswahrnehmung des Adressaten, gerade bei ungerichteter Kommunikation durch Massenmedien und Computer, mit vorherbestimmen? Ist das Kommunikationsverhalten durch die neuen Medien grundlegend anders? Fällt die Unterscheidung zwischen Bedeutungsvollem und Belanglosem in der Internetkultur einzig dem User der neuen Medien zu? Und wenn ja, wie kann er sich hermeneutische Kompetenz aneignen?